Rot und Grün: Diese Farben verkörpern das Leben. Wie die roten Pigmente im Blut und der grüne Pflanzenfarbstoff Chlorophyll aufgebaut sind, entschlüsselt der Chemiker Hans Fischer an der heutigen Technischen Universität München (TUM). Weil er den Blutfarbstoff Hämin sogar vollständig im Reagenzglas nachbaut, erhält er 1930 den Nobelpreis. Denn das galt lange als unmöglich.
Diese Pigmente sind entscheidend für das Leben auf unserem Planeten: Der rote Farbstoff Hämin transportiert den Sauerstoff im Blut, und das grüne Chlorophyll sorgt für die Photosynthese der Pflanzen. Dass die Natur beide Farbstoffe sehr ähnlich konstruiert hat, entdeckt der Chemiker Hans Fischer an der Technischen Hochschule München. Im Labor baut er die Einzelteile nach – und 1928 gelingt es ihm sogar, den roten Blutfarbstoff Hämin vollständig künstlich zu erzeugen. Eine außerordentliche Leistung, für die er nur zwei Jahre später, 1930, mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wird.
Lange glaubt kaum jemand, dass der Nachbau eines solchen Moleküls überhaupt möglich ist. Doch Fischer arbeitet mit dutzenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jahrelang in seinem Labor daran – im Zweischichtbetrieb und mit fast schon industriell durchgeplanten Abläufen – bis die Synthese endlich gelingt. Erst entschlüsseln sie die Struktur des Hämins, ein riesiges Molekül aus 70 Atomen, die sich als Ring um ein Eisenatom legen. Dann bauen sie diesen Ring, das sogenannte Porphyrin, nach. Schlussendlich setzen sie das Hämin vollständig zusammen.
Fast den gleichen Bauplan findet Fischer später auch beim Chlorophyll wieder. Wie Pflanzen und andere Organismen damit Energie aus Sonnenlicht gewinnen, findet mit Robert Huber Jahrzehnte später erneut ein Chemiker der Technischen Universität München heraus – und erhält dafür ebenfalls den Nobelpreis.
Hämin transportiert den Sauerstoff im Körper. Der Sauerstoff ist dabei an ein Eisenatom inmitten des Porphyrin-Rings gebunden. Diesem Eisenatom verdankt das Hämin seine rote Farbe. Das Chlorophyll ist der Stoff, mit dem Pflanzen und andere Organismen die Sonnenenergie für die Photosynthese einsammeln. In seinem Zentrum sitzt ein Magnesium-Atom. Weil der Pflanzenfarbstoff das grüne Spektrum des Sonnenlichts nicht verwendet, reflektiert er es – und unserem Auge erscheinen die Blätter grün. Beide Pigmente haben das identische Grundgerüst: einen Porphyrin-Ring.
In der modernen Medizin helfen Pigmente aus der Natur zum Beispiel bei der Behandlung von Tumoren und anderen Gewebeveränderungen an sensiblen Stellen: Auge, Gehirn, oder Magen-Darm-Trakt. Als Wirkstoff in der sogenannten photodynamischen Therapie von Hautkrebs dient beispielsweise eine Vorstufe des roten Blutfarbstoffs. Sie wird als Creme auf die betroffene Hautpartie aufgetragen. Das Licht einer Speziallampe aktiviert den Farbstoff für einige Minuten, woraufhin die Tumorzellen absterben. Die gesunde Haut leidet kaum unter der Behandlung. 70 bis 90 Prozent der behandelten Tumore heilen narbenfrei ab.
Hans Fischer motiviert seine Leute – mit seinen Ideen, seiner eigenen Einsatzbereitschaft. Und er behandelt sie als Menschen, „die mit ihm arbeiteten, nicht so, als ob sie unter ihm arbeiteten“, erzählt einer der Wissenschaftler. Wie hart Fischers Labor schuftet, zeigt eine Satire aus der Nobelzeitschrift, die Studierende für ihn anfertigen: „Hart aber unabänderlich: Geheimratlicher Beschluss: Dergestalt, dass meine Mitarbeiter nicht weiter an ihren anerkannt genialen Kräften Raubbau treiben können, verfüge ich hiermit, dass ab 1.1.1931 die Laboratorien wochentags von 1 bis 3 Uhr nachts geschlossen werden. Sonntags darf gearbeitet werden, aber nicht länger als 24 Stunden.“
„Durch diese Synthese krönte er [Hans Fischer] seine Forschungsarbeiten, sie verdienen es, sowohl in ihrem Ausmaß als auch in den unglaublichen Schwierigkeiten, mit denen sie verbunden waren, als gigantische Arbeit bezeichnet zu werden.“
Henning G. Söderbaum, 1930, Vorsitzender des Nobelkomitees für die Chemie an der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften
Anmerkung der Redaktion (17.05.2018):
Hans Fischer arbeitete während der NS-Diktatur für die Rüstung und richtete zusammen mit dem Heereswaffenamt an seinem Institut ein Labor für Giftgasforschung ein. Zwar war Fischer kein Nationalsozialist, begriff aber diese Forschung als seine patriotische Aufgabe.
Weitere Informationen zur Rolle von Hans Fischer und der Technischen Hochschule München im Nationalsozialismus finden Sie in einer Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum und im Interview mit dessen Gründungsdirektor, Prof. Winfried Nerdinger.