Eine Universität ohne Computer? Was heute undenkbar scheint, ist in den 1950er Jahren noch normal. Doch an der späteren Technischen Universität München (TUM) arbeitet damals schon einer der ersten Großrechner Deutschlands. Mit der riesigen Maschine begründet der Nachrichtentechniker Hans Piloty die moderne Informationstechnik an den Münchner Hochschulen – obwohl er beim Bau noch mit großen Problemen kämpft.
Es ist eine Pionierleistung in der Computertechnik: Nur wenige Jahre nach Erfindung der elektronischen Rechenmaschine stellt Hans Piloty 1956 den ersten Großrechner an der TUM fertig. Fünf Jahre lang baut der Professor zuvor mit einem Team aus Mathematik und Nachrichtentechnik an der Maschine. Die Konstruktion gelingt, obwohl sich Deutschland noch im Wiederaufbau befindet und Bauteile wie Röhren oder Dioden schwer zu beschaffen sind.
Die „PERM“ (Programmgesteuerte Elektronische Rechenanlage München) ist für einige Wochen sogar die schnellste Rechenanlage der Welt. Sie berechnet Überschallströmungen um Flugkörper und viele weitere wissenschaftliche Probleme. Und zugleich sammeln an ihr zahlreiche Studierende und Forschungsteams Erfahrungen in den aufkommenden Computerwissenschaften.
Auch weil so viele solcher Fachleute in München ihr Handwerk lernen, entwickelt sich die Stadt im Lauf der Jahre zu einem wichtigen IT-Standort. Und aus dem Großrechner entsteht letztlich das Leibniz-Rechenzentrum, das noch heute einen der leistungsstärksten Computer der Welt betreibt.
Hans Pilotys Großrechner heißt „PERM“ – Programmgesteuerte Elektronische Rechenanlage München. Die Studierenden interpretieren das Kürzel aber etwas anders. Sie nennen die PERM scherzhaft „Pilotys erstes Rechenmonster“, wegen ihrer Größe und des komplexen Aufbaus. Pflegebedürftig ist das Monster obendrein: Teilweise muss die PERM rund um die Uhr überwacht und bei Bedienungsfehlern wochenlang repariert werden – zum Beispiel wenn die Belüftung versehentlich nicht eingeschaltet wird.
18 Jahre lang, bis 1974, ist die PERM an der TUM in Betrieb. Die Anlage wiegt mehrere Tonnen und enthält tausende elektronische Bauteile – alles nach dem damals neuesten Stand der Technik. Sie dient als wissenschaftliche Rechenmaschine und Ausbildungscomputer für Generationen von Studierenden, mit ihr wird die neue Computersprache ALGOL entwickelt. Seit 1988 steht der Großrechner aus der Computer-Frühzeit im Deutschen Museum in München.
Mit modernsten Hochleistungsrechnern arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TUM auch heute. So unterstützt das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) sie etwa bei der ersten detaillierten Simulation des Sumatra-Erdbebens, das den Tsunami 2004 auslöste. 2018 bekommt das LRZ einen neuen Supercomputer: Der „SuperMUC-NG“ rechnet mit einer Spitzenleistung von knapp 27 Petaflops – also etwa viermal so schnell wie sein Vorgänger. Unter den heute schnellsten Rechnern der Welt steht er damit auf Platz drei.
„Lassen wir zum Schluss die Phantasie ein wenig schweifen und die Frage ins Auge fassen, zu Leistungen welcher Art ein elektronischer Automat … gebracht werden kann, wenn man die Möglichkeiten der heutigen Technik besser ausnutzt, ohne Rücksicht auf einen besonderen Zweck. Ein solcher Automat würde zusätzlich etwa noch folgendes können: ‚Wahrnehmen‘, … ‚Handeln‘, … ‚Lernen‘.“
Hans Piloty, Professor für elektrische Messtechnik, 1955